2 Jahre Terminservicestelle

Seit 2016 soll es die Terminservicestellen geben, für die Sondertermine bekommen Ärzte etwas mehr Geld. Vor allem: Sie bekommen Neupatienten im ersten Behandlungsquartal voll bezahlt,  die Patienten der Terminservicestelle unterliegen nicht der Budgetierung. Ende 2022 werden sie nach dem Willen von Herrn Minister Professor Lauterbach zur Rettung der Kassenfinanzen den anderen Patienten gleichgestellt, die Neupatientenregelung entfällt ersatzlos.

Zeit, einmal zu schauen, was uns da so an Patienten entgeht:

Wir hatten in der Zeit vom 1.1.21 – 12.7.22:

  • 157 Termine wurden von uns für die Terminservicestelle bereitgestellt, also 2 pro Woche.
  • 157 Termine wurden von der Terminservicestelle vergeben.
  • 8 Patienten haben abgesagt, weil ihnen der Termin nicht passte oder die Entfernung zu weit ist. 34 Patienten sind nicht erschienen und haben uns mehr Zeit für die anderen Patienten des Vormittages gelassen.
  • 115 Patienten sind zu dem vereinbarten Termin erschienen.
  • 64 der Patienten hatten kein Rheuma. Bei der Hälfte der Patienten haben wir das Rheuma ausgeschlossen. Die andere Hälfte hatte innerhalb der letzten 12 Monate schon einen Termin bei einem Rheumatologen und wollten gerne einen zweiten Rheumaausschluss.
  • 55 Patienten hatten ein Rheuma. Eine besonderes schnelle Terminvergabe über die Terminservicestelle war möglicherweise berechtigt.

35 % aller dringend wegen eines Rheuma über die Terminservicestelle zugewiesenen Patienten hatten ein behandlungs- oder beobachtungsdürftiges Rheuma. Für ein Notfallverfahren ist das eine sehr schlechte Quote. Wenn wir von den Hausärzten Notfallfaxe mit einigen Angaben bekommen, steigt die Quote der berechtigten Notfälle auf 80%. Das wäre in Ordnung.

50 % der Patienten hatten eine Anreise vom mehr als 100 km. Stade, Lüneburg, Seesen, Genthin, Bad Lauterberg – all das sind Orte, bei denen der Weg an mindestens 2 Rheumatologen vorbeiführt. Die meisten Patienten kamen mit 8 aus Hildesheim – einer Kleinstadt mit 3 Rheumatologen, allerdings auch mit einem riesigen Einzugsgebiet.

Leider geht das Gemecker noch weiter: 67 Patienten, also mehr als die Hälfte, hatte zur Erstvorstellung über die Terminservicestelle keine Unterlagen dabei – kein Labor, keine Altbefunde, keine Röntgen- oder MRT-Berichte, manchmal noch nicht einmal die inhaltsleere Überweisung des Hausarztes mit dem Terminservicestellencode. Da unsere Mitarbeiterinnen regelmäßig und bei jeder Terminbestätigung oder – Neuvereinbarung sagen „Bitte Vorbefunde mitbringen!“, ist das eine Respektlosigkeit von Zuweisern und Patienten ohnegleichen. Ohne Unterlagen und Vorbefunde sinkt die Trefferquote, also die Qualität der ärztlichen Arbeit. Daher ist es geradezu eine Forderung des Qualitätsmanagementes, das Verfahren der Terminservicestelle nicht weiter zu unterstützen. Man tut allerdings der Minderheit an Ärzten, die ihre Patienten ordentlich vorbereitet auf die Reise schicken, weh.

Von den 55 Patienten mit Rheuma, die über die Terminservicestelle kamen, waren in der Dringlichkeit zweifelhaft:

  • 4 Patienten, die gerade in einer Klinik eine Rheumadiagnose bekommen haben und einen Nachbehandler suchten. Die Nachbehandlung sollte die Klinik schon klären, wir nehmen den umliegenden Kliniken auch uns unbekannte Rheumapatienten ab. Dann sind wenigstens die Unterlagen verlässlich da.
  • 2 Patienten aus der eigenen Behandlung, die mit Hilfe der Terminservicestelle einen schnelleren Termin bei uns haben wollten – beide ohne nachvollziehbare Dringlichkeit, einmal ein geklemmter Finger und einmal „Medikamente alle!“.
  • 11 Patienten aus laufender Behandlung, die den Wunsch nach einem Behandlerwechsel hatten. Auch hier kamen 4 ohne Unterlagen, das haben wir abgelehnt – und 7 mit Unterlagen, die haben wir dann auch weiterbehandelt.
  • 8 Patienten, bei denen der Rheumaverdacht oder das sichere Rheuma seit Jahren im Raume standen und die aus Gründen, die nicht der Krankheitsaktivität lagen, plötzlich einen Behandlungswunsch hatten – dann aber dringend. Dabei war oft ein neuer Hausarzt – oder ein Facharzt, der selbst keine Vorunterlagen hatte, der Zuweiser. Aktenstudium hätte geholfen.

Dreißig mal haben wir aufgrund einer neuen oder in den letzten Monaten zunehmenden Symptomatik Patienten über die Terminservicestelle bekommen, bei denen die Nutzung der Terminservicestelle richtig und nötig war. Das ist nicht einmal jede fünfte Zuweisung. Schade um den Aufwand für die Schaffung dieses Büromonsters.

Wieso habe ich Zeit, so etwas zu schreiben? Weil die heutige Patientin der TSS nicht erschienen ist.

Nachtrag 2.2.2023

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde der Hausarztvermittlungsfall neu eingeführt. Hier bekommen die Hausärzte 15€ für die Vermittlung eines dringenden Patienten und wir 44 € fürs Abarbeiten am Anruftag oder Folgetag, 22 € für den 2.-4. Tag, also das, was wir so als dringliche Patienten reinbekommen. Und weil der Hausarzt für diese 15 € Unterlagen faxen muss, bekommen wir wirklich dringende Patienten.

Über die Terminservicestelle bekommen wir die Patienten nicht vor dem 8. Tag, weil das die Software der TSS nicht hergibt, also 16 € und keinerlei Vorinformation. Lieber nehme ich mehr Hausarztvermittlungsfälle oder Notfälle ohne Unterlagen als über die Terminservicestelle. Das Projekt stirbt durch den Hausarztvermittlungsfall.

Nachtrag 20.2.2023

Heute habe ich den ersten und vorläufig einzige Terminservicestellenfall gesehen, der irgendwie zwischen die Hausarztvermittlungsfälle gerutscht ist. Der Termin wurde am letzten Mittwoch vergeben – wäre Zuschlag B oder 16 €. Der Patient wartet schon seit Januar auf einen Terminservicestellentermin. Die Wartezeit wurde mir mit angerechnet. So gab es kein Geld, aber Unmut über die Wartezeit.

 

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